Frau Dr. Breuer, wenn es muss, dann geht es auch: Ist die flächendeckende Einführung von Homeoffice aufgrund des Lockdowns ein schönes Beispiel für die normative Kraft des Faktischen?
Tatsächlich war von heute auf morgen möglich, was vorher in vielen Organisationen undenkbar war: mobiles Arbeiten bzw. Homeoffice bedingungslos und für alle. Viele Argumente, die angeblich bis dato dagegensprachen, wurden damit als nicht haltbar entlarvt. Ob technische Machbarkeit oder Tätigkeit und Aufgabenstellung, teilweise überraschend unproblematisch und reibungslos gelang die Umstellung.
Nun läuft Homeoffice schon einige Zeit. Gibt es ein erstes wissenschaftliches Fazit? Was funktioniert, und was nicht? Sehen Sie auch Grenzen des Homeoffice?
Ein ‹gigantisches Menschenexperiment› nannte es der Soziologe Richard Florida. Weltweit und über alle Branchen können wir nun alle erleben, was Homeoffice mit uns macht: jede und jeder für sich persönlich, mit dem eigenen Team, in der jeweiligen Organisation. Und die Erfahrungen sind so unterschiedlich wie wir alle: Je nach Lebenssituation oder Persönlichkeitstyp erleben wir Homeoffice besser oder schlechter. Und in Abhängigkeit vom Reifegrad der Organisation erleben diese Homeoffice als Chance oder als Bedrohung.
Was wir alle gelernt haben: Arbeit ist kein Ort zum Hingehen, Arbeit ist eine Haltung und kann davon abhängig überall gestaltet werden. Und es geht um viel mehr als nur um das Erledigen von Tätigkeiten und Aufgaben: Arbeiten ist ein soziales Event, ein Erlebnis. Als soziale Wesen erleben wir damit Zugehörigkeit, Bestätigung, Eingebundenheit. Und schliesslich auch Identität und Sinnstiftung.
Wie muss das optimale Büro konzipiert sein? Und wie gelangt man dazu? Sollen beispielsweise Mitarbeitende demokratisch mitentscheiden können, wie das Büro gestaltet wird?
Während Gestaltung als basisdemokratischer Prozess nicht gut funktioniert, hilft dagegen eine radikale Nutzerperspektive in der Entwicklung guter und vor allem passgenauer Lösungen. Welche Ziele möchte die Organisation erreichen? Wie will man (zusammen-) arbeiten? Die (räumlichen) Verhältnisse bestimmen massgeblich das Verhalten.
«Die Idee muss vielmehr sein, dass das Büro etwas bietet, das ich im Homeoffice nicht habe oder nicht erleben kann.»– Dr. Sandra Breuer, Geschäftsführerin loop – creating places
Welche Trends sehen Sie in der Arbeitswelt? Was wird in den nächsten Jahren auf uns zukommen?
Mobiles Arbeiten und Homeoffice sind gekommen, um zu bleiben. Back to the office ist nicht back to normal. Wer mit Anwesenheitspflicht versucht, die Mitarbeiterschaft zurück ins Büro zu holen, wird sich langfristig nicht attraktiv positionieren können. Die Idee muss vielmehr sein, dass das Büro etwas bietet, das ich im Homeoffice nicht habe oder nicht erleben kann. Wer nicht mehr ins Büro kommen muss, wird genau abwägen, wann der Weg sich lohnt. Und auch das kann wieder sehr unterschiedlich sein: Für den einen ist es die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen, für die andere ein Ort, um in Ruhe zu arbeiten mit stabiler Internetverbindung.
Was bedeutet das für die Führung?
Wir haben alle erlebt, dass New Work das «neue Normal» ist. Präsenzpflicht, Kontrolle, der Raum als Machtsymbolik, all das hat ausgedient. Vertrauen und Empowerment sind die Schlüssel zu positiver Führung der Zukunft.
CTO, Head Agile Projects Zürich
Marius Matter
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