Noch vor einigen Jahren war das Arbeiten von zuhause aus kaum ein Thema und wurde viel weniger gefordert. Nach der Lockerung der Massnahmen vonseiten des Bundes blieb das Interesse bei Unternehmen und Angestellten bestehen, dass Homeoffice – zumindest teilweise – beibehalten wird. Die flächendeckende Einführung von Homeoffice, durch einen externen Faktor aufgezwungen, stellte für viele Unternehmen und Mitarbeitende ein abrupter Wechsel dar, und über Jahre praktizierte Arbeitsweisen mussten kurzfristig an die neue Situation angepasst werden. Schrittweise gewöhnten sich Unternehmen und ihre Mitarbeitenden an die neue Arbeitsrealität, und die Vorteile von Remote-Work machten die anfängliche Skepsis bald vergessen.
Agil im Homeoffice und neue Herausforderungen
Agile Teams erarbeiten in der Regel gemeinsam und fachübergreifend neue Lösungen. In der Vergangenheit war das am einfachsten, wenn sich die Teammitglieder vor Ort in der Nähe voneinander befanden: Kommunikationswege waren kurz und direkt, Besprechungen konnten effizient durchgeführt und Entscheidungen unkompliziert getroffen werden. Auch betriebliche oder persönliche Faktoren können in diesem neuen Umfeld zu einer Hürde werden, die es zu überwinden gilt. So ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden über eine ausreichende technische Infrastruktur verfügen. Nur so ist gewährleistet, dass überhaupt gearbeitet werden kann. Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Unternehmen bei dieser Thematik bereit sind, ihre Angestellten mit den notwendigen Geräten zu versorgen.
Schwieriger hingegen ist es, mit anderen Einflüssen umzugehen, die auf die Mitarbeitenden wirken. Bei der Arbeit von zuhause herrscht ein grösseres Potenzial zur Ablenkung, da bei vielen Menschen die Trennung von Beruflichem und Privatem nicht mehr klar ersichtlich ist. Da das Treffen und die Interaktionen mit Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen oft ausbleibt, besteht auch die Gefahr, dass soziale Interaktionen verlorengehen – es droht die soziale Isolation. Es gilt, entsprechend Lösungen zu finden, zu etablieren und weiterzuentwickeln.
Viele der Hürden des Homeoffice für eine agile Organisation können gleichzeitig auch als Innovationstreiber betrachtet werden. Dies bezieht sich auch auf die zwischenmenschlichen Abläufe und die Unterstützung durch die richtigen Hilfsmittel. Als Basis für die Agilität dient ein kollaboratives Board, welches eine Übersicht der einzelnen Artefakte bietet. Zusätzlich sind in den letzten Jahren vermehrt neue Anbieter von interaktiven Tools für die Förderung der Kommunikation im Team in den Markt eingestiegen. Rituale, Events und Meetings – bei ti&m z.B. regelmässige «Virtual Coffees» – können so ebenfalls in den virtuellen Raum migriert werden. Es ist für die Agilität unabdingbar, dass diese Interaktionen weiterhin gelebt werden und die voranschreitende Digitalisierung und steigende Nachfrage nach diesen Tools spielen hierbei eine tragende Rolle und ermöglichen dieses Zusammenspiel.
Agil im Homeoffice in der Praxis
Die Erfahrungen haben aufgezeigt, dass ein Wechsel der Arbeitsweise von on site zur Remote-Arbeit sehr gut verlaufen und ohne grosse Probleme gehandhabt werden kann. Selbst in einem Umfeld mit einer grösseren Anzahl an Mitarbeitenden konnte der Weg ohne Schwierigkeiten gegangen werden und es wurden keine neuen Störfaktoren in den Teams festgestellt. Es konnten sogar Verbesserungen gegenüber der «On site»-Situation beobachtet werden: Viele Mitarbeitende waren flexibler und besonders zu Randzeiten besser erreichbar, weil die teilweise langen Arbeitswege wegfallen. Die notwendigen Events wurden mit entsprechender Toolunterstützung in den virtuellen Raum verschoben. Dabei wurde auch Wert daraufgelegt, dass alle Besprechungen und Events über einen lockeren und austauschfördernden Bestandteil verfügten. Damit konnte sichergestellt werden, dass trotz Homeoffice eine Sozialisierung erfolgen kann und der menschliche Kontakt im Team nicht verloren geht. Abläufe und Zeremonien, welche von rein inhaltlicher oder technischer Natur sind, konnten mit der richtigen Toolunterstützung ohne grössere Schwierigkeiten abgehandelt werden.
Völlig reibungslos verlief der Prozess in eine neue Arbeitsrealität dann allerdings doch nicht. Gerade die Durchführung mancher Events in den agilen Frameworks war nicht immer einfach. Viele der Events, Tools und Methodiken sind noch immer darauf ausgelegt, dass die Personen vor Ort und in physischer Nähe beieinander sind. Fordernd waren daher oft die Retrospektiven, Inspect & Adapt und das Continuous Improvement aufgrund deren Komplexität. Gruppendynamiken sind schwieriger zu fördern, da oft noch keine Möglichkeiten für Break-Out-Rooms bestehen, um eine weitere Gruppenbildung innerhalb der agilen Teams zu beschleunigen. Trotz der Kamerafunktionen erinnern viele Meetings an längere Telefonate. Das bedeutet auch, dass die nonverbale Kommunikation oft verloren geht. Ausserdem benötigt die Integration neuer Mitarbeitenden in agile Teams im Homeoffice mehr Zeit.
Agil im Homeoffice: ein erstes Fazit
Grundsätzlich gilt zu sagen, dass die agile Zusammenarbeit auch im Homeoffice sehr gut funktioniert. Die agilen Teams müssen sich allerdings entsprechend anpassen, aktiv die Voraussetzungen für dezentrales Arbeiten schaffen und Aspekte berücksichtigen, welche die Kollaborationen in der Online-Welt fördern. Wichtig sind die notwendigen Hard- und Softwarelösungen, klare Strukturen und Abläufe, verbindliche Regeln und ein hohes Mass an Kommunikation. Durch die neu entstandene Distanz zu den Teammitgliedern ist es wichtig, dass für die Agilität gewisse Rahmenbedingungen geschaffen werden. Ein transparentes und gut strukturiertes Informations- und Wissensmanagement sowie der fachgemässe Einsatz einer Kollaborationsplattform sind elementar und helfen, Agilität weiter voranzutreiben. Alle Arbeiten und Events in gleichbleibender Qualität in einem reinen Onlineszenario zu erarbeiten, ist und bleibt eine grosse Herausforderung: Für komplexere Vorhaben müssen möglicherweise zusätzliche oder neue Rollen definiert werden, um dieser Herausforderung gerecht zu werden. Eine klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten und die Definition der Erwartungen an diese Personen hilft, eine reibungslosere Durchführung solcher Events zu gewährleisten.
Zwischenmenschliche Beziehungen in der Arbeitswelt werden in Zukunft weiterhin eine zentrale Rolle spielen und sind schwierig, online zu pflegen. Aus diesem Grund bedarf es der Implementierung einiger neuer Regelungen, die sicherstellen, dass eine gewisse Struktur beibehalten werden kann. Das betrifft unter anderem den Umgang mit Kollaborationstools. Massnahmen wie die Verwendung von Kameras und Mikrofonen zu bestimmten Zeitpunkten, spezifisch fixierte Arbeitsblöcke, welche die vollständige Anwesenheit des Teams sicherstellen und das pünktliche Abarbeiten von Tasks sowie obligatorische Meetings und Events bieten dazu Abhilfe. Nach Möglichkeit ist immer eine hybride Arbeitsform zu empfehlen, um die Vorteile aus beiden Welten – Remote-Arbeit und On-Site-Kollaboration – zu vereinen.
CTO, Head Agile Projects Zürich
Marius Matter
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