Ab 2027 sollen in der Schweiz Urkunden elektronisch erstellt und archiviert werden können. Gibt es aus juristischer Sicht noch Handlungsbedarf?
Das Bundesgesetz über die Digitalisierung im Notariat (DNG) schafft die Voraussetzungen dafür, dass öffentliche Urkunden in elektronischer Form erstellt und in einem zentralen vom Bund geführten digitalen Urkundenregister aufbewahrt werden können. Dieses Update der Infrastruktur ist ein wichtiger Schritt in die Richtung eines vollständig digitalisierten Geschäftsverkehrs. Es freut mich, dass die finale Fassung des Gesetzes die Grundvoraussetzungen technologieneutral formuliert und die detaillierten Ausführungsbestimmungen auf Verordnungsstufe geregelt werden. Das ermöglicht Flexibilität bei der Ausarbeitung der technischen Lösungen (vielleicht sogar gestützt auf die DLT-Technologie?) und erleichtert die fortlaufende Berücksichtigung des jeweiligen Stands der Technik. Bis ein vollständig digitalisierter Geschäftsverkehr möglich ist, gibt es allerdings noch Handlungsbedarf. So bleibt beispielsweise eine Fernbeurkundung erschwert, da in der Schweiz bislang eine zuverlässige digitale Form des Identitätsnachweises fehlt. Bis es eine elektronische ID gibt, müssen Urkundspersonen Alternativen finden, um sich von der Identität der Beteiligten zu überzeugen, z. B. beglaubigte ID-Kopien oder mittels QES signierte und live zugestellte ID-Kopien.
Distributed Ledger Technologien wie Blockchains scheinen wie geschaffen, um die Arbeit der Notariate zu übernehmen. Werden Notariate einer der Bereiche sein, die als erstes vollständig automatisiert und digitalisiert werden?
DLT würde sich auf jeden Fall für eine sichere, transparente und kostengünstige Erstellung und Aufbewahrung von digitalen Urkunden anbieten. Doch wie wir trotz Internet weiterhin E-Mails schreiben oder allenfalls prompten müssen, so ersetzt auch die Verwendung dieser Technologie für das Erstellen und Aufbewahren von Urkunden die Arbeit von Urkundspersonen keinesfalls. Denn neben dem reinen Erstellen und Aufbewahren von Urkunden kommt ihnen eine Vielzahl von Aufgaben zu, welche einen wichtigen Beitrag an die Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden leisten. So muss der Inhalt z. B. von Kaufverträgen oder Ehe- und Erbverträgen weiterhin für den Einzelfall entworfen und/oder auf die Einhaltung mit dem Gesetz geprüft werden. Weiter liegt es in der Verantwortung der Urkundsperson, sicherzustellen, dass beim Abschluss von wichtigen Rechtsgeschäften wie Grundstückkauf oder Erbvertrag die beteiligten Parteien über den Inhalt und die Pflichten in Kenntnis sind und sich der Tragweite des jeweiligen Geschäfts bewusst sind. Diese wichtigen Funktionen kann ein digitales Register nicht übernehmen.
Seit letztem Sommer ist im Kanton Zürich das digitale Grundbuch online – im Kanton Bern sogar bereits seit Mitte 2020. Gibt es weitere digitale Register?
Gestützt auf eine Motion von Ständerat Beat Rieder laufen im Parlament zurzeit Bestrebungen, das Eigentumsvorbehaltsregister zu modernisieren. Gegenwärtig muss der Eigentumsvorbehalt in ein nicht digitales Register beim Betreibungsamt am (Wohn-)Sitz des Schuldners eingetragen werden. Bei einem (Wohn-)Sitzwechsel muss der Eintrag im Register des neu zuständigen Betreibungsamtes nachgeführt werden, um gültig fortzubestehen. Es ist klar, dass eine Revision nötig ist. Als Geschäftsführerin des Schweizerischen Leasingverbands setze ich mich allerdings an dieser Stelle für eine umfassendere Revision des Mobiliarsicherungsrechts und die Schaffung eines nationalen digitalen Mobiliarregisters ein. Anstatt Grundstücke, die bekanntlich im Grundbuch eingetragen werden, könnten im Mobiliarregister bei Bedarf Rechte an Sachen, z. B. Eigentum oder Pfandrechte, eingetragen werden. Dies würde zusätzliche Möglichkeiten für die Eigentumssicherung schaffen und den Zugang zu Finanzierungen für KMU erleichtern bzw. vergünstigen.