Die Schweizer E-ID nimmt Gestalt an. Wird sie wie geplant 2026 von der Schweizer Bevölkerung genutzt werden können?
Die Arbeiten im Programm E-ID sind auf Kurs. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die E-ID wie geplant 2026 eingeführt werden kann.
Gibt es noch offene Punkte bei der konkreten Ausgestaltung?
Die Anforderungen leiten sich aus dem Ge-setz ab, und dies ist noch in parlamentarischer Beratung. Aber grundsätzlich steht fest, welche Funktionen der E-ID bei der Einführung Anfang 2026 zur Verfügung stehen werden. Als Nächstes steht im Frühjahr 2025 Public Beta an. Dabei stellen wir interessierten Teilnehmenden eine Test-Version der Vertrauensinfrastruktur zur Verfügung, damit sie elektronische Nachweise ausstellen und verifizieren können. Bei diesem Beta Betrieb ist natürlich nicht auszuschliessen, dass wir Rückmeldungen erhalten, die wir vor der Einführung noch aufnehmen. Solche Erkenntnisse sind äusserst wertvoll und wir gewinnen sie dank der breiten Partizipation von E-ID-Interessierten.
Die E-ID ist mehr als das digitale Äquivalent zu einer physischen ID. Sie funktioniert als Wallet und basiert auf einem Ökosystem, das neben Bund, Kantonen, Gemeinden und weiteren Ämtern auch von Privaten genutzt werden kann. Nutzer können Dokumente bei Behörden anfordern, sich ausweisen, die Dokumente in der Wallet speichern und anderen Teilnehmenden im Ökosystem zur Verfügung stellen. Auch von Privaten ausgestellte Dokumente wie Diplome oder Arztrezepte können hinterlegt werden. Welche Auswirkungen wird die E-ID auf die Schweizer Wirtschaft und die öffentliche Verwaltung haben?
Die E-ID ist ein entscheidender Baustein für die digitale Transformation der Schweiz. Viele Interaktionen mit staatlichen Stellen und privaten Akteuren wickeln wir heute digital ab. Ob bei der Steuererklärung, dem Online-Einkauf oder der Anmeldung bei einer Streaming-Plattform: Ein paar Mausklicks genügen, der Gang zum Schalter oder in ein Geschäft ist nicht nötig. Die E-ID wird die Nutzung von digitalen Angeboten noch einfacher und vor allem auch sicherer machen. So schützt die E-ID zum Beispiel vor unwahren Angaben bei der Registrierung. Auch Transaktionen mit Behörden, die heute noch eine Überprüfung des Ausweises vor Ort benötigen, können künftig digital erfolgen. Die E-ID schafft Vertrauen und Sicherheit für die Benutzer von Onlinediensten, aber auch für die Anbieter selbst. Es ist davon auszugehen, dass die Einführung der E-ID dem Angebot an digitalen Services zusätzlichen Schub verleiht. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Ökosystem auch anderen Anbietern die Möglichkeit gibt, sichere Nachweise auszustellen und nicht immer die E-ID zum Einsatz kommen muss.
Müssen Banken und Co. ihren Kunden ab 2026 überhaupt noch eine Online- oder Video Identifikation zur Verfügung stellen?
Es steht mir nicht zu, den Banken zu sagen, wie sie ihre Geschäfte abwickeln sollen. Ich gehe aber davon aus, dass die E-ID auch das Leben von Banken und anderen Firmen leichter machen wird. Doch vergessen wir nicht: Die Nutzung der E-ID ist freiwillig. Für Personen, die eine E-ID besitzen, wird die Identifikation künftig einfacher möglich sein als mit den bisher bestehenden Identifikationssystemen. Für Kunden, die auf die Nutzung der E-ID verzichten, wird es auch weiterhin solche Lösungen brauchen.
Banken, Online-Casinos und weitere Firmen fragen sich, ob die neue E-ID alle möglichen Anwendungsfälle abdecken wird. Was antworten Sie ihnen?
Ich bin kein Experte für diese Branchen und kenne die Anwendungsfälle nicht im Detail. Die sichere und einfache Identifizierung in der Onlinewelt wird aber auf jeden Fall die Erbringung von digitalen Dienstleistungen in allen Branchen vereinfachen. Ein Beispiel ist sicher, dass Online-Casinos dank der E-ID sicher überprüfen können, ob Nutzer ihres Angebots volljährig sind.
In der Schweiz gibt es viele digitale Identitäten, beispielsweise SwissPass oder Logins von kantonalen Steuerbehörden. Werden diese mit der neuen E-ID verschwinden?
Als Direktor des BIT bin ich geneigt zu sagen, dass die E-ID kein Login sei. Aber ich weiss, dank den neuen Technologien, die ohne klassischen Benutzernamen und Passwort auskommen, diese Unterscheidung. Die E-ID wird auch als Zugangsmittel zum neuen Behörden-Login AGOV zum Einsatz kommen. AGOV ist seit Anfang 2024 in Betrieb und kann bereits seit Beginn dieses Jahres in den Kantonen Zürich und Appenzell Ausserrhoden für den unkomplizierten Zugang zur elektronischen Steuererklärung genutzt werden. Weitere Kantone haben inzwischen AGOV ebenfalls integriert oder werden dies tun. Insofern gehe ich davon aus, dass mittelfristig einige der kommunalen und kantonalen Logins verschwinden werden.
Der Aufbau der E-ID kostet 182 Millionen Schweizer Franken. Lohnt sich der Aufwand, nur um Nutzern und Firmen ein wenig Aufwand zu ersparen?
Mit diesem Betrag wird nicht nur die E-ID, sondern die ganze Vertrauensinfrastruktur aufgebaut und in den ersten drei Jahren betrieben. Auch das Pilotprojekt mit dem elektronischen Lernfahrausweis ist darin enthalten. Es ist eine Investition in die digitale Transformation der Schweiz.
Das erste Konzept der E-ID, das eine Ausstellung von Privaten vorsah, wurde klar abgelehnt. Das neue Konzept sieht vor, dass die E-ID staatlich herausgegeben wird, und bezieht Private ins Ökosystem mit ein. Mit der Wallet und dem Ökosystem setzt der Bund einen Standard. Hätte sich der Bund nicht nur auf die Herausgabe der E-ID beschränken und den Rest Privaten überlassen sollen?
Nach der deutlichen Ablehnung des Bundesgesetzes über elektronische Identifizierungsdienste im März 2021 sind von allen Fraktionen identische Motionen eingereicht worden, die eine vertrauenswürdige staatliche E-ID forderten. Der Bundesrat hat das EJPD, EFD und die Bundeskanzlei beauftragt, ein «Zielbild E-ID» zu erarbeiten und eine öffentliche Konsultation durchzuführen. Über 60 Stellungnahmen von Kantonen, Vertretern aus Wissenschaft, Unternehmen und Wirtschaftsorganisationen gingen ein. Basierend auf den Ergebnissen der Konsultation hat der Bundesrat einen Grundsatzentscheid für die neue Stossrichtung der E-ID getroffen. Im Zentrum stehen dabei der Schutz der Privatsphäre durch Technik – Privacy by Design –, die Datensparsamkeit und die dezentrale Datenspeicherung. Nach diesen Grundsätzen bauen wir eine Vertrauensinfrastruktur auf, auf der ein Ökosystem für elektronische Nachweise geschaffen wird, das unterschiedliche Akteure des öffentlichen und privaten Sektors nutzen können. Die aktuelle Lösung ist breit abgestützt und ich bin überzeugt, dass mit der E-ID und der Vertrauensinfrastruktur eine zukunftsweisende Lösung gewählt wurde – bei welcher der Staat die E-ID herausgibt und die Vertrauensinfrastruktur betreibt, die aber gleichzeitig von privatwirtschaftlichen Akteuren zur Ausstellung von Nachweisen genutzt werden kann.
Technologisch soll die neue E-ID vollständig interoperabel mit der EU sein. Die Schweizer E-ID geht in Sachen Datenschutz aber weiter als die EU. Auf welche Abstriche müssen sich Schweizer E-ID-Nutzer gefasst machen, wenn sie ihre E-ID in der EU verwenden?
Es ist richtig, uns ist der Datenschutz ein wichtiges Anliegen. Dass die EU in diesem Bereich grundsätzlich weniger macht als wir, kann aus meiner Sicht heute noch nicht gesagt werden, zumal wir davon ausgehen, dass es auch Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten geben könnte. Zumindest bei der voraussichtlichen Lancierung der E-ID im Jahr 2026 wird diese von der EU noch nicht anerkannt sein.
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